Achtung! Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis! In letzter Zeit beobachte ich an mir eine unangenehme Sache: ich bin längst nicht mehr so offen wie noch vor 1 oder 2 Jahren. Sie vielleicht auch? Warum? Das kann viele Gründe haben. Eine schwere Erkrankung, die Pandemie, die weltpolitische Situation? Wie auch immer, ich möchte nicht in meiner oder Ihrer Seele wühlen. Aber: Der April kommt! Das ist viel wichtiger. Denn der hat seinen Namen vermutlich vom lateinischen „aperire“ ( = sich öffnen). Die Knospen öffnen sich, die Menschen gehen raus, öffnen sich und (manchmal!) ihre Herzen. Trotz Corona, trotz Krieg. Schrieb ich nicht im letzten Newsletter „Hoffnung ist die Kunst, offen zu bleiben“? Stimmt.
Ich starte meine Spurensuche nach der Offenheit im Duden. Dort steht: „Aufgeschlossenheit; Bereitschaft, sich mit jemandem, etwas unvoreingenommen auseinanderzusetzen“. Na gut. Unvoreingenommen bin ich dann spätestens nicht mehr, wenn es um das Thema Impfung geht. Mehr noch. Ich bin auch dann nicht mehr unvoreingenommen, wenn jemand unreflektiert Statements raushaut, die andere verurteilen – sei es, weswegen auch immer.
Da steht auch: „freimütige Wesensart; rückhaltlose Ehrlichkeit“. Traue ich mich gar nicht mehr so recht, vor allem, wenn es nur noch ein „Entweder-Oder“ statt eines „Sowohl-als auch“ gibt. Das ist das, was Politiker*innen manchmal als „Spaltung der Gesellschaft“ bezeichnen. Und damit ist nicht eine mengenmäßige Spaltung à la „die Hälfte ist dafür und die andere dagegen“ gemeint. Es geht vielmehr darum, dass – nicht nur mit Blick auf Corona, sondern auch in anderen Bereichen – in Extremen argumentiert wird. Und da ist es wie in der Chemie: In den Extremen wird man unflexibel. In der Mitte lässt es sich flexibler bleiben – und offen! Was das heißt? Erst ohne Urteil kann ich ehrlich sein.
Offenheit sei etwas Wichtiges, damit wir Menschen uns begegnen können, so meinte kürzlich eine Freundin. Soso, dachte ich und fühlte mich ertappt. Sie hat mich durchschaut, als ich sie und ihren Umgang mit ihrem Sohn innerlich verurteilte. Frank Berzbach beschreibt es folgendermaßen: „Wer anfängt, sich mit seiner eigenen Wahrnehmung der Welt zu beschäftigen, muss weniger über die Außenwelt klagen. Wenn der Ärger abnimmt, werden neue Energien für die Gestaltung des eigenen Lebens und der eigenen Arbeit frei“.
Ich werde es versuchen! Für den April nehme ich mir vor, offenen Auges durch die Welt zu gehen und denke an den Gedichtband „Das Gesicht des Auges“ (1994) von Cees Nooteboom. Ich blättere hindurch und lese darin: „Die sichtbare Welt schleust das Bild durchs geöffnete Auge, das innere Auge entfaltet es, macht es neu, in neuen Helligkeiten, denen gibt Namen.“ Mal sehen, was der April bereithält!
Wir wünschen Ihnen einen offenen Frühling!
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