„Dankbarkeit stärkt Beziehungen“, „Dankbarkeit sorgt für Glücksgefühle“ oder „Mit Dankbarkeit zum Erfolg“ – die Liste der positiven Auswirkungen von Dankbarkeit ist lang. Das machen sich Ratgeberliteratur und Coachingprogramme zu eigen und nutzen es für sich. Ich persönlich reagiere auf die darin enthaltene Oberflächlichkeit und auf das technisch-behavioristische Menschenbild à la „Dankbarkeit rein, Glück raus“ eher allergisch.
Mir ist die Dankbarkeit abhandengekommen
Und zugleich bemerke ich: Mir ist die Dankbarkeit ein wenig abhandengekommen, vor allem in letzter Zeit. Zu viel Krise, zu viel Angst, zu viel, was nicht gut läuft. Zu viele Sorgen. Ich grüble gefühlt den halben Tag, manchmal auch mehr. Das finde ich schade, denn Dankbarkeit sorgt ja wirklich für Zufriedenheit, das belegen alle Studien zum Thema.
Viele grübeln gerade und machen sich Sorgen
Vor ein paar Wochen habe ich angefangen, die Menschen, mit denen ich gerade im Coaching, Training o.ä. zu tun habe, zu fragen, wofür sie dankbar seien – eine kleine „Privatstudie“ sozusagen. Es kamen Antworten wie „für meine Kinder“, „für die Heilung von einer schwierigen Krankheit“, „dafür, dass jemand Danke sagt“, „für eine freiheitliche Lebensführung“, „für meinen beruflichen Weg und Erfolg“ oder „für meine so gute Ausbildung“. Es kam auch häufiger: „Oh, da habe ich schon lange nicht mehr drüber nachgedacht“. Dann fühlte ich mich zumindest weniger allein mit meinen vielen Grübeleien.
Früher musste ich dankbar sein – das war kontraproduktiv
Früher noch, zumindest als ich ein Kind war, war Dankbarkeit vor allem an Moral geknüpft. Meine Eltern forderten ein, dass ich dankbar bin und angemessen Danke sage – wenn ich Geschenke bekam oder im Restaurant. Vom Grundgedanken nicht schlecht, aber das hat bei mir eher zu Widerständen als zu positiven Gefühlen geführt. Seither hat sich viel getan, nicht nur bei mir persönlich sondern auch in der Psychologie und Medizin – zum Glück!
Dankbarkeit als „Wein der Seele“
Was Dankbarkeit eigentlich ist? Ich würde sagen: Wertschätzung, ein angenehmes Gefühl. Für den Sufi Rumi ist es der „Wein der Seele“ und er fordert: Werdet betrunken! Gerne doch.
Religionen sind „Heimat“ von Dankbarkeit
In jeder Weltreligion spielt Dankbarkeit eine Rolle. Interessant finde ich, dass im Christentum Dankbarkeit gegenüber Menschen kaum relevant und sehr zentriert auf Dankbarkeit gegenüber Gott ist. Anders im Buddhismus: Dort richtet sich Dank an alle und alles, was einen auf dem Pfad der Erleuchtung voranbringt. Die Weltreligionen nutzen Gebete, Dankeslieder, Gottesdienste, Tanz, Pilgerreisen und Feste für den Ausdruck von Dank. Und ich frage mich natürlich: Wie kann man denn seiner Dankbarkeit Ausdruck verleihen, auch unabhängig von einem Glauben? Dazu komme ich etwas weiter unten, unser Thema des Monats ist ja schließlich Kommunikation…
Befasst euch mit den freudigen Seiten der Seele statt mit den Defekten!
Interessant ist, dass 1997 Martin Seligman zum Präsidenten der US-amerikanischen Psycholog*innenvereinigung gewählt wurde. Warum das relevant für Dankbarkeit ist? Weil er 2 Jahre nach seiner Wahl einen aufsehenerregenden Vortrag hielt. Dieser gleicht einem Plädoyer an die Psychologie, die Medizin und die entsprechende Forschung. Seine damalige Forderung: Befasst euch statt mit Defekten der Seele mit den freudigen Seiten der menschlichen Psyche! Daraus entstand die sog. „Positive Psychologie“ und ein grundlegender Paradigmenwechsel in den Gesundheitswissenschaften.
Agieren satt Re-agieren – unser Credo im Coaching
Eine Konsequenz mangelnder Dankbarkeit ist Passivität oder – wie Seligman es schon 1967 nannte – „erlernte Hilflosigkeit“. Damit meint er eine Form der Passivität, die wir im Coaching versuchen in Aktivität zu verwandeln, dann heißt es immer „Agieren statt Re-agieren“, denn:
Wer mehrfach die Erfahrung gemacht hat, dass man schlimmen Situationen nicht entkommen kann, hört irgendwann auf, zu versuchen, die Situation zu ändern – selbst wenn noch etwas zu ändern wäre. Hundeliebhaber*innen aufgepasst! Dieser Lernmechanismus, der auch an der Entstehung von Depressionen beteiligt sein kann, wies Seligman bei Experimenten mit Hunden (1967) nach: Versetzt man Hunden schmerzhafte Stromschläge, denen sie nicht entkommen können, entwickeln viele von ihnen Symptome, die einer Depression gleichen. Bietet man ihnen dann einen Fluchtweg, ergreifen sie die Chance nicht mehr.
Ziel beim Training von Dankbarkeit im Coaching: Ein veränderter Blick auf die Welt
Was kann ich persönlich nun tun, damit es mir besser geht? Damit ich weniger grüble und in krisenhaften Zeiten mental gut gewappnet bin? Nicht nur ich, sondern viele Menschen nehmen eher Dinge wahr, die fehlen – der Mensch als Mängelwesen, das stammt aus den 1940er Jahren. Ich bin es leid! Was helfen kann, ist Naikan aus dem japanischen Buddhismus. Dabei tritt man zunächst mit sich selbst in Kommunikation und fragt sich:
Das ist erstmal eine ungewohnte Perspektive – besonders für die westliche Psychologie und Psychotherapie, die eher danach fragt, was und wer hat mir Kummer bereitet? Und was haben andere versäumt? Das kann man als Schreibübung erledigen, immer wieder. Oder in einem Gespräch vertiefen.
Wer das Positive in seinem Leben (freiwillig!) sehen kann, lebt glücklicher
Erwiesenermaßen helfen Dankbarkeitstraining und die Kommunikation von Dankbarkeit gegen Grübeln. Interessant ist hier: Die beiden Psychologen Henning Freund und Thorsten Dietz (2021) haben in einer Studie nachgewiesen, dass ein 5-wöchiges Training für Menschen, die unter starkem Grübeln leiden, sehr hilfreich ist.
Deren Hypothese: Wenn diese Menschen einen verstärkten Zugang auf das Gute in ihrem Leben haben, könnte es positive Effekte auf die Grübel- und Sorgenneigung haben. In einer Dankbarkeitsapp, eine Art digitales Dankbarkeitstagebuch, haben die Proband*innen alles notiert oder als Bilder abgelegt, wofür sie dankbar sind. Das Ergebnis: Nach 5 Wochen erleben Menschen, die an starkem Grübeln und sich Sorgen machen leiden, eine erstaunliche Reduktion von schlechten Gefühlen. Und es zeigte sich eine deutliche Reduktion von negativen Gedanken, die auch 3-6 Monate nach dem Training an.
Und wer Dankbarkeit selbst erfährt, ist auch motiviert, seine Dankbarkeit zu kommunizieren.
Deshalb: Danke fürs bis zum Ende lesen, liebe*r Empfänger*in!
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