Zu unserem Thema des Monats „Selbstreflexion“ frage ich mich ganz persönlich: Wann erlebe ich eigentlich inneren Frieden? Und was hat mein – oder das menschliche Innenleben allgemein – mit Konflikten zu tun? Das passt zum Advent, zum Ausklang eines aufwühlenden Jahres und zu einigen unserer Projekte, bei denen es gerade heiß her geht und wir als Mediator*innen gefordert sind.
Frieden ist ein abstraktes Ideal
Wenn ich „Frieden“ google, kommen zuhauf weiße Tauben. Das hat einen Grund: Frieden ist ein großes Wort, ein abstraktes Ideal, ein nie zu erreichender Zustand! Warum ich das schreibe? Weil es mich entlastet. Mit Blick auf meine persönliche Lebenssituation kann ich zwar sagen: Wir sind gerade alle recht friedlich miteinander. Zum Glück! Das war auch schon einmal anders.
Anders bei unserer Arbeit: Der evaluierende Blick auf das Jahr 2022 verrät: Die Pandemiesituation hat viele Konflikte sichtbar gemacht, mit denen wir als Mediator*innen versuchen, einen Umgang zu finden. Hätten wir hier den Anspruch, vollkommenen Frieden zu erreichen, würden wir von vornherein scheitern. Glaube ich, zumindest. Und würden wir mit weißen Tauben ankommen, wäre es vermutlich auch schwierig.
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg, das ist sicher. Mit dieser Sicht wären wir bei einem recht feindseligen Menschenbild, geprägt von Thomas Hobbes und dem Absolutismus: „Der Mensch ist des Menschen Wolf“ – der Mensch als Raubtier, für den es schon ein friedliches Zusammenleben ist, wenn es sich nicht mit anderen bekriegt. Ein Verständnis, das mir bis heute manchmal begegnet.
Frieden schafft Konflikte nicht aus der Welt, sondern hegt sie in das Leben ein
Die moderne Friedensforschung aus dem letzten Jahrhundert geht auf den Norweger Johan Galtung zurück. Der gilt als Gründungsvater der modernen Konflikt- oder Friedensforschung. Er erweitert die Abwesenheit von Krieg um die Abwesenheit von Gewalt und unterscheidet
1️⃣ negativen Frieden als die Abwesenheit von Gewalt von
2️⃣ positiven Frieden als die Abwesenheit von struktureller Gewalt.
Warum das wichtig ist? Ganz einfach: Dort, wo Waffen schweigen, kann indirekte Gewalt dem Frieden schaden. Konkret heißt das: Wenn ich wenig oder keine Möglichkeiten der Teilhabe oder kaum Zugang zum Bildungs- oder Gesundheitssystem habe, erfahre ich strukturelle Gewalt. Das gilt für Gesellschaften wie für Organisationen, in denen wir arbeiten. Dabei ist es selbstverständlich, dass Menschen unterschiedliche Potenziale und Bedürfnisse haben. Kein Mensch ist wie der andere. Wichtig: Uneinigkeit wird organisiert, nicht Einigkeit wird als Absolutum erzwungen!
Frieden macht Konflikte berechenbar und ist eine Lebensform
Für den Dezember habe ich mir vorgenommen, in den Konflikten, mit denen ich gerade in einigen Projekten zu tun habe, Berechenbarkeit zu erzeugen. Friede ist nicht Stille und Ruhe. Und auch keine weiße Taube. Frieden ist eine Lebensform, die gepflegt und kultiviert werden sollte.
Frieden heißt, mit Konflikten nach (Rechts-) Grundsätzen umzugehen, die für alle gelten
Mir gefällt das Bild, dessen man sich schon seit der Antike bedient: Frieden ist Harmonie, so wie man sie aus der Musik kennt: Er ist kein Einklang, sondern ein spannungsvoller Gleichklang, in dem das Verhältnis zwischen Selbstbehauptung und Zugeständnis an andere immer wieder ausgelotet wird. Und das mit Grundsätzen, die für alle gleichermaßen gelten.
In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen einen friedlichen Advent!🕯️🎄
Ihre Dr. Katharina Ludewig
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